Kirgisische Feste – Tradition oder Zwang?

Meist wird eine „Toi“ für eine Hochzeit gefeiert, wie hier im Dorf Karamyk

Tische, die unter Speisen und Getränken fast zusammenbrechen, zahlreiche Gäste, lustige Zeremonienmeister, ewige Trinksprüche. In Kirgistan werden Feste, Tois, gerne so groß wie möglich gefeiert. Aber viele Gastgeber übertreiben dabei und verschulden sich, schreiben die Schülerinnen Kanyma BalgarbekowaMedina Urmatbek kyzy und Uulsada Bayissbekowa.

Eine Toi ist ein traditionelles kirgisisches Fest, das zum Beispiel nach einer Hochzeit ausgerichtet wird. Andere Anlässe sind die Geburt oder Beschneidung eines Kindes, der Kauf eines neuen Hauses oder ein Jubiläum. Tois finden oft im Herbst statt. Diese Tradition ist damit zu erklären, dass die Kirgisen von alters her erst dann feiern konnten, wenn sie die Ernte eingebracht hatten. Früher haben die Leute solche Fest organisiert, weil das eine Tradition war. Jetzt aber machen sie das, um ihren Status zu zeigen.

„El emne dejt?“ – „Was werden die Leute sagen?“ ist in Kirgistan ein sehr starkes Argument. Um hinter ihren Nachbarn nicht zurückzubleiben, nehmen manche nicht so wohlhabenden Leute Kredite auf und laden ein paar hundert, manchmal sogar bis zu tausend, Menschen auf ihr Fest ein.

Festmahl für die ganze Welt

Bei Hochzeiten wird die Meinung der Braut oft nicht berücksichtigt. Die Leute sagen, dass es eigentlich eine Feier für die Eltern des Bräutigams, die alles bezahlen, ist. Auf solche Hochzeiten werden Hunderte von Freunden und Verwandten eingeladen. Viele davon haben die Jungvermählten noch niemals in ihrem Leben gesehen haben. Aber die Eltern meinen, dass die Feier ohne diese Gäste einfach unmöglich ist. Sie berufen sich darauf, dass sie vor 20 Jahren ebenfalls zur Hochzeit eines Cousins zweiten Grades eingeladen waren. Und die Ehefrau einer sehr einflussreichen Person, die in Zukunft nützlich für die Jungvermählten sein kann, muss natürlich auch kommen. Ungefähr so werden bei kirgisischen Hochzeiten die Gäste ausgewählt. Die meisten sieht das Brautpaar das erste und letzte Mal in ihrem Leben, berichtet Nurzada Tynaewa auf der Website knews.kg.

Eine Hochzeit im Dorf Karamyk in Südkirgistan

Früher war alles günstiger

Vor 10 bis 15 Jahren wurden Tois noch einfacher gefeiert. Heutzutage ist alles viel teurer. Bei reichen Kirgisen kommen mehr Gäste und sieht der Tisch reicher aus. Bei ihnen ist es üblich, mindestens ein Pferd und ein paar Hammel zu schlachten. So verwandeln sich Hochzeiten in Wettbewerbe um „das teuerste Restaurant“ oder „den teuersten Sänger.“ Davon lassen sich auch ärmere Leute hinreißen, die sich solche Feiern eigentlich nicht leisten können. Sie sagen „Sind wir etwa schlechter als die anderen?“ schreibt Nargisa Kozhomkulowa auf 24.kg.

Kredite für die Hochzeit

Manche Familien arbeiten ein oder zwei Jahren in Russland und verdienen Geld, nur um dann eine solche Toi zu veranstalten. Neben der eigentlich Feier müssen sie auch Geschenke finanzieren und z. B. als Zeichen der Achtung der Mutter der Schwiegertochter einen teuren Pelz oder einen Goldschmuck schenken. Dann dürfen sie aber auch den Vater der Schwiegertochter nicht vergessen. Jeder Gast bekommt ein Geschenk, ein Geschirr oder eine Kleidung.

Manche Familien nehmen Kredite auf, um die Feiern zu bezahlen. Manchmal macht sich die Veranstaltung dann bezahlt, immerhin ist es üblich, dass die Gäste einen Umschlang mit Geld mitbringen, durchschnittlich 1000 bis 5000 Som (ca. 12 bis 63 Euro). Es kann dann mehr zusammenkommen, als die Toi gekostet hat. Aber manchmal müssen die Leute ihre Kredit jahrelang abbezahlen.

Initiativen im Parlament

Das kirgisische Parlament und die Regierung haben mehrmals Initiativen gezeigt, die Tois zu regulieren. Im Jahr 2011 brachte Kanybek Osmonaliew, Abgeordneter der Partei „Ar Namys“, eine Gesetzesvorlage über die Ordnung der Ausführung von Familienfesten in Kirgisistan ein, nach der es verboten sein sollte, mehr als 200 Leute zur Hochzeit einzuladen, schreibt die Journalistin Elwira Muratowa auf der Website Kloop.kg.

2015 wurde diese Frage in einer Kabinettssitzung unter Mitwirkung von Vizepremierministerin Gulmira Kudaiberdinowa besprochen.

„Der Preis einer Toi kostet eine Familie durchschnittlich 1,5 Millionen Som [ca. 18.500 Euro]. Mit diesem Geld könnte die Familien ihren Verbraucheraufwand für ein paar Jahre decken. Die Leute nehmen Kredit und veranstalten Familienfeste und andere aufwendige Feiern“, so Kudaiberdinowa.

Bisher wurde aber noch kein entsprechendes Gesetz beschlossen und so wird es in Kirgisten wohl auch weiterhin große Tois geben.

Der Text ist aus einer Zusammenarbeit zwischen Novastan e. V. und dem Goethe Gymnasium im Frühling 2018 entstanden. Der Redakteur Folke Eikmeier besuchte einmal pro Woche den Unterricht und erarbeitete mit den SchülerInnen journalistische Artikel.

Eine Arbeit von SchülerInnen
des Goethe-Gymnasiums in Bischkek, Kirgistan